Am 24. August 1941 trafen sich im Gamengrund, einem Erholungsgebiet bei Tiefensee/Werneuchen, ca. 50 Berliner Antifaschistinnen und Antifaschisten. Anlass war der deutsche Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 und die Notwendigkeit, sich zu vernetzen und auszutauschen. Viele der Teilnehmenden des Treffens wurde durch Verrat eines Gestapo-Spitzels festgenommen und im Sommer 1944 hingerichtet. Seit 2020 organisiert die Kreisvereinigung Märkisch-Oderland der VVN-BdA eine Gedenkwanderung zum historischen Ort des antifaschistischen Treffens im Gamengrund. 2024 sollte es erstmalig eine Kooperation mit der Berliner VVN-BdA und einen Bus aus Berlin zur Wanderung geben.
So kam es, dass wir uns am Morgen des 31.08.2024 am Ostbahnhof trafen, um die gemeinsame Anreise mit einem extra angemieteten Bus nach Tiefensee anzutreten. Erkennungszeichen für alle Mitreisenden war eine VVN-Fahne an einem Schild neben dem Bus, um Verwechselungen vorzubeugen. Denn zeitgleich wartete hinter uns ein Bus nach Erfurt zu den Protesten gegen die AfD-Feierlichkeiten anlässlich der Landtagswahl in Thüringen. Die in Thüringen zu erwartenden und später mitgeteilten Wahlergebnisse lassen leider nichts Gutes erahnen und raue Zeiten werden wohl bevorstehenden. Eine Kostprobe dessen sollten wir noch vor Abfahrt bekommen. Denn unsere Fahne war einem Angestellten der Berliner Stadtreinigung (BSR), der mit drei Kollegen unweit von unserem Bus seine Frühstückspause machte, offensichtlich ein Dorn im Auge. Er kam zu unserer Reisegruppe herüber und forderte mit Deutung auf unsere Fahne, dass wir unseren Müll aber gefälligst wieder mitnehmen. Nachdem aus unserer Reisegruppe die Nachfrage kam, wie das denn zu verstehen sei und wo sein Problem liegt, wusste der BSR-Angestellte nur mit sexistischen Beleidigungen und Gewaltandrohungen zu reagieren. Seine übrigen BSR-Mitarbeiter tolerierten die verbalen Ausfälle und Gesten ihres Kollegen und ließen sich zwischen Kaffee und Brötchen nicht in ihrer Pause stören. Aber auch uns konnte der rechte Troll nicht die Stimmung vermiesen und so starteten wir planmäßig und gut gelaunt in Richtung Märkisch-Oderland.
Nach kurzen Umwegen auf der Anreise und der Erkenntnis, dass es in der Gemeinde Werneuchen neben einer Reichweinstraße, auch eine Adolf-Reichwein-Straße gibt, kamen wir mit leichter Verzögerung am vereinbarten Treffpunkt in Tiefensee an. Die Kameradinnen und Kameraden der VVN-BdA Kreisvereinigung MOL und weitere Teilnehmende warteten bereits auf uns, damit es endlich losgehen konnte. Wir wanderten von Tiefensee einen schönen Pfad am Gamensee entlang zum Gamengrund, wo am 24. August 1941 das Treffen der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer rund um die „Uhrig-Römer-Gruppe“ stattfand. Treffpunkt war eine 1974 dort eingeweihte Gedenktafel für die Teilnehmenden des Treffens, welche jedoch vor einiger Zeit gestohlen wurde. Dazu später mehr.
Zunächst verweilten wir am historischen Ort des Treffens, wo zum heutigen Anlass anstelle der gestohlenen Gedenktafel eine Replik auf gehangen wurde. Der Ort war nur über einen kleinen Abhang zu erreichen und der Weg nicht barrierefrei. So musste plötzlich improvisiert werden, damit auch wirklich alle an der Gedenkveranstaltung teilnehmen konnten. Wer den steilen Weg nicht laufen konnte, wurde kurzerhand auf einem Stuhl den Abhang hinunter und anschließend wieder hinauf getragen. Für Außenstehende mag das wohl ein seltsames Schauspiel gewesen sein, wie eine Person hoch erhoben auf einem Stuhl durch den Wald tragen getragen wird. Letztlich konnten sich so aber alle am Gedenkort zusammenfinden und der Veranstaltung beiwohnen.
Zu Beginn referierte Trille Schünke-Bettinger über die historischen Gegebenheiten des antifaschistischen Treffens und hob dabei das Wirken und Schicksal der Widerstandskämpferin Charlotte Eisenblätter hervor. Mathias Wörsching folgte darauf mit einer Analyse der aktuellen politischen Lage, bevor wir zum Ende der kleinen Gedenkveranstaltung Blumen niederlegen konnten. Anschließend wanderten wir erneut auf einem schönen Weg entlang des Gamensees zurück in den Ort Tiefensee. Während der Wanderung und einer kleinen Pause auf einem idylischen Campingplatz am See blieb reichlich Gelegenheit, sich mit den Kameradinnen und Kameraden aus MOL auszutauschen. Als wir schließlich zurück in Tiefensee waren und unseren Bus bestiegen, der uns nach Strausberg bringen sollte, waren die meisten froh, für einen kurzen Moment sitzen zu können. Die Sonne und warmen Temperaturen hatten doch einige Anstrengungen abverlangt. Nichtsdestotrotz waren sich alle einig, dass sich der Weg nach Tiefensee und die Wanderung in den Gamengrund gelohnt hatten.
In Strausberg angekommen suchten wir das örtliche Museum auf. Hier wurde am Nachmittag die originale Gedenktafel aus dem Gamengrund präsentiert. Auf die Begrüßung durch ein Vorstandsmitglied der VVN-BdA Kreisvereinigung MOL folgten Worte und Danksagungen durch die Strausberger Bürgermeisterin. Bei den Vorbereitungen für die Wanderung im Sommer 2021 wurde bemerkt, dass die Tafel im Gamengrund gestohlen wurde. Erst im Dezember 2022 wurde sie durch Zufall bei Brückenbauarbeiten im Rüdersdorfer Stolpkanal wiedergefunden und seitdem professionell restauriert. Nach Abschluss der Restaurierung soll die Tafel in Zukunft auf dem Außengelände des Strausberger Museum ausgestellt werden. Bei den Mitgliedern der lokalen VVN-BdA besteht ansonsten die Sorge, dass die Tafel an ihrem eigentlich Bestimmungsort im Gamengrund erneut gestohlen würde. Diese Sorge müssen wir leider teilen und der Verbleib im Museum erscheint daher der geeignete Ausstellungsort für die Gedenktafel zu sein.
Nach der Einweihung der Gedenktafel im Museum machten sich noch einige Teilnehmende auf den kurzen Weg zum Projektraum „Julie“, wo wir bei Kaffee und Kuchen den Worten von Edith Pfeiffer lauschen konnten, die von ihren Eltern erzählte, die im Widerstand aktiv waren.
Anschließend gab es auch hier wieder gute Gelegenheit, in den Austausch unter den Teilnehmenden der Gedenkveranstaltung zu kommen. Dabei konnten wir interessante Einblicke in die Strukturen der VVN-BdA in Strausberg gewinnen, die sich mit einem eigenen Büro, dem Projektraum „Julie“ und den guten Kontakten zum Museum und zur Bürgermeisterin eine solide Grundlage für ihre Arbeit vor Ort geschaffen hat.
Am frühen Abend erreichten wir leicht erschöpft aber zufrieden den Berliner Ostbahnhof, wo manche den Abend noch in einer Kneipe ausklingen ließen. Es bleibt ein abwechslungsreicher Tag in Erinnerung, der neben einer schönen Wanderung und Gedenkveranstaltung auch spannende Eindrücke aus der Arbeit der VVN-BdA in Strausberg bereithielt. Bei allen Einigkeit, dass wir auch im nächsten Jahr an der Wanderung und dem Gedenken teilnehmen wollen.